Episoda

Man könnte auch von einem Unterwegssein nach Art der Kuh sprechen. Lasse ich mich doch wie eine Kuh an diesem oder jenem Ort nieder und betrachte die Welt um mich herum – manchmal durchaus wiederkäuend, was ich vorher in mich aufgenommen habe. Deswegen habe ich als Logo dieser Reihe auch die Silhouette einer liegenden Kuh gewählt.

Seit 2000, verstärkt seit 2011 arbeite ich an einer Sammlung von Reisefeuilletons, denen ich den Namen Episoda gegeben habe. Diese Episoda bestehen aus Fotografien und Texten, die eng miteinander verbunden sind. Man kann auch von Standortberichten sprechen, denn ihre Eigenart ist es, dass sie an einem präzisen Standpunkt entstehen und vorrangig davon handeln, was ich an diesem Ort erlebt, von diesem Ort aus wahrgenommen habe. Die Methode dieser Episoda ist also das Verharren, Abwarten, manchmal auch Ausharren. Es geht um Stillstand statt Fortschritt. Nicht die Reise ist das Ziel, sondern der Unterbruch der Reisebewegung, des Spaziergangs, der Dérive. Die Texte sind gewöhnlich zwischen 1000 und 20’000 Zeichen lang und werden von wenigstens zwei Bildern begleitet. Das erste Bild zeigt immer einen Blick vom jeweiligen Quadratmeter aus, der auch im Text als Ausgangspunkt oder Anker dient. Die übrigen Bilder stammen meist aus der unmittelbaren Umgebung.

Genaue Verortung | Die genaue Verortung des Standpunkts hat ihren Grund darin, dass viele der ersten Episoda aus den Jahren 2011–2015 ursprünglich mit kurzen Filmclips verbunden waren, die ich mit Hilfe eines Stativs aufgenommen habe. Diese Filmchen zeigen stets nur eine Szene, aus einer Perspektive, verzichten also auch auf Schwenk- oder Zoombewegungen. Die Filme sind aus den Episoda verschwunden, das Prinzip aber ist geblieben.

Wahl des Ortes | Ich wähle die Standpunkte nicht nach kulturellen (oder touristischen) Kriterien aus, denn mir sind bei diesem Projekt die unterschiedlichsten Flecken auf diesem Planeten sehenswürdig, auch Orte ohne Glanz und Geschichte. Manchmal selektioniere ich die Standpunkte nach bestimmten Spielregeln (das Ende von Straßenbahn Nr. 11, der hundertste Schritt von Punkt X aus), manchmal ergeben sie sich zufällig, gelegentlich werden sie auch von Dritten ausgewählt.

Rezepte | Wo auch immer ich hinfahre, versuche ich, auch etwas von der Küche der Gegend zu verstehen. Ich koste viel, stelle allerlei Recherchen an und wähle schliesslich einzelne Spezialitäten aus, die ich dann am eigenen Herd nachkoche. Ich notiere die Rezepte und kombiniere sie mit kurzen Einführungen, die eine Vorstellung der kulinarischen Tradition der jeweiligen Gegend vermitteln sollen – soweit ich sie verstanden habe. Einzelne Episoda sind also mit Wegleitungen zu kulinarischen Abenteuern verknüpft, die sich in der eigenen Küche erleben lassen.

Begriff Episoda | Das Lemusische unterscheidet zwischen Épisode und Episoda. Épisode entspricht «Episode» auf Deutsch, eine Episoda aber ist eine kleine Geschichte, die sich an einem konkreten Gegenstand entzündet. Der Begriff taucht erstmals im 17. Jahrhundert in den Miscellanea inusitata von Jacob Schychs auf, wo eine Autorin oder ein Autor namens Vitula (wahrscheinlich ein Pseudonym) Insula triginta episoda erzählt, also dreißig kurze Geschichten von der Insel.

Publikation | Die Episoda erscheinen unter diversen Rubriktiteln regelmäßig in Periodika wie der Neuen Zürcher Zeitung (En route), dem Kunstbulletin (Das grosse Rätsel) oder der Programmzeitung (Literarische Reisekolumne). Einzelne Texte werden ausserdem in Büchern und Katalogen abgedruckt oder im Rahmen von Internetprojekten veröffentlicht. Auch ausgewählte Rezepte werden in diversen Medien publiziert, in der NZZ etwa unter dem Rubriktitel Auf fremden Tellern. Sämtliche Episoda und alle zugehörigen Rezepte sind auch auf meiner Webseite zugänglich.*

Die Episoda können zum Beispiel punktuell über eine Weltkarte angesteuert werden (weiße Marker führen nur zu einer Episoda, orange Marker zu einer Episoda mit zugehörigem Rezept). Zu den Rezepten gelangt man auch über eine nach Ländern geordnete Liste. Ausserdem stelle ich Episoda und Rezepte jeweils zu Jahresbüchern zusammen.

Episoda Jahresbücher als PDF


Die Insel der Glückseligen. In den Jahren 2008, 2010, 2012 und vor allem 2016–2018 bin ich mehrmals nach Indien gereist. Dabei sind 77 kürzere und längere Episoda entstanden. Eine Auswahl von 47 Texten erschien 2019 im Zürcher Rotpunktverlag als Buch: Indien im Augenblick. Vom Abenteuer einer Reise ohne Ziel (224 Seiten, 20.4 × 12.4 cm, Broschur, mit 77 Farbfotos). Man kann das Buch über den Verlag bestellen oder zum Beispiel über das Buchhaus Lüthy Balmer Stocker.

* Steht die Publikation eines Textes in einer Zeitung oder Zeitschrift unmittelbar bevor, kann es sein, dass sich die Veröffentlichung auf meiner Seite verzögert. Ausserdem habe ich mich mit dem Rotpunktverlag darauf geeinigt, auch nicht alle Texte aus dem Buch Indien im Augenblick online zur Verfügung zu stellen. Ich hoffe Sie teilen meine Freude, dass ich hier auch mal Kleingedrucktes zu bieten habe!